Liebe Leserinnen und Leser,
neulich gab es einen interessanten Wortbeitrag des Intuitionsforschers und Leiters des Harding-Zentrums für Risikokompetenz, Gerd Gigerenzer, zum Thema Intuition in der Entscheidungsfindung. Dessen Erkenntnisse lassen sich durchaus auch auf den Bereich Sicherheitsmanagement übertragen.
Gigerenzer räumt auf mit der Vorstellung, Intuition und Statistik seien unvereinbarer Gegensätze. Seine auf Basis von Forschung formulierte Kernthese lautet: „Intuition ist gefühltes Wissen, was auf vielen Jahren von Erfahrung beruht. ( … ) Intuition beruht auf Wissen. Ohne Wissen keine Intuition.“ Bei Intuition handele es sich weder um einen sechsten Sinn, noch um göttliche Eingabe. Sie sei auch keineswegs nur Frauen vorbehalten (Frauen Intuition und Männer Rationalität zuzuschreiben sei vielmehr rein historisch bedingt). Und sie sei nicht angeboren, sondern beruhe allein auf vielen Jahren an Erfahrung: „Ein erfahrener Fußballspieler hat Intuition. Das bedeutet, die Person weiß, was sie zu tun hat, ohne darüber nachzudenken.“ Gigerenzer zitiert an dieser Stelle die vor wenigen Tagen verstorbene Fußballlegende Gerd Müller: „Wenn’st nachdenkst, bist eh schon verloren!“ Mag sein, dass man das alles irgendwo schon einmal so ähnlich gehört hat – wenn auch nicht so charmant und unterhaltsam vorgetragen. Interessant und erwähnenswert fand ich aber dann doch noch folgende Ergänzung des Intuitionsforschers: „Intuition ist spezifisch.“ Das bedeutet, wer jahrzehntelang Fußball gespielt hat, entwickelt (nur) fußballerische Intuition, nicht jedoch z. B. automatisch auch eine gute Intuition in der Geldanlage. Der Wortbeitrag von Gigerenzer war bis zum Redaktionsschluss noch in der Mediathek des WDR zu finden (www1.wdr.de, Kurzlink https://bit.ly/2VXc6kI). Die Webadresse des HARDING-ZENTRUM(s) FÜR RISIKOKOMEPETENZ der Universität Potsdam, das Gigerenzer leitet, lautet übrigens www.hardingcenter.de.
Auch in Sachen Intuition gilt also: Nur Profis können, was Profis können – ob bewusst oder intuitiv. Das gilt ebenso für professionelle Sicherheitsberater. Ich kenne einen, der sich im Serverraum einer Leitstelle aufhielt und seinem Auftraggeber sagte „Euer Server macht´s nicht mehr lange!“ Die Frage, wie er denn zu dieser Erkenntnis komme, konnte er gar nicht beantworten: „Irgendwas ist hier anders.“ Dass das Betriebsgeräusch um Nuancen vom Normalzustand abwich von dem, was er aus seiner (jahrzehntelangen) Erfahrung gewohnt war, war ihm in diesem Moment gar nicht bewusst. Trotz der diffusen Begründung ließ der Kunde dann den Server vom IT-Support prüfen. Und tatsächlich, der Server hatte einen Schaden und wurde ausgetauscht. Der Redaktionskollege Peter Loibl, der als Sicherheitsberater in den letzten 27 Jahren Hunderte von Leitstellen, Sicherheitszentralen, Leitwarten und Kontrollräume in Hinblick auf deren Sicherheit konzipiert hat: „Wenn ich auf ein Objekt zugehe, sehe ich unbewusst innerhalb kürzester Zeit die Sicherheitsschwachstellen, auf die ich in jedem Fall später zu achten habe.“
Kennen Sie das auch aus Ihrem Bereich als Sicherheitsverantwortliche? Lassen Sie es uns gern wissen. Ich freue mich auf Ihre Anekdote!