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Editorial

Einsamkeit als Sicherheitsproblem

Ausgabe 3/2024
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Ausgabe 3/2024
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Liebe Leserinnen und Leser,

bis vor Kurzem hätte ich das Phänomen der Einsamkeit von Menschen als privates Problem, nicht jedoch als Sicherheitsproblem gesehen, das den Staat auf den Plan ruft. Nach der Lektüre der „Strategie der Bundesregierung gegen Einsamkeit“ sehe ich das anders.

Ein uralter Mann erzählte mir einmal, dass er alle seine Weggefährten „von früher“ überlebt habe – niemand außer ihm lebte mehr. Einige Zeit später erfuhr ich, dass er sich das Leben genommen hatte.

Einsamkeit ist offenbar ein tückisches Gefühl, dem Betroffene kaum selbst entrinnen können – und das betrifft keineswegs nur alte Menschen. Menschen, die mit beiden Beinen im Leben stehen, können sich dagegen kaum vorstellen, dass es sich um ein Sicherheitsproblem nicht nur für die Betroffenen selbst, sondern auch für das persönliche Umfeld und die gesamte Gesellschaft handeln könnte. Hätten wir nicht auf jeden Fall sofort ein paar Tipps parat, wenn jemand über Einsamkeit klagt: Wie wäre es mit einem Job oder einem Ehrenamt? Warum trittst Du nicht in einen Verein ein? Lerne ein Musikinstrument. Gehe in den Kirchenchor. Und so weiter.

Sehen wir einmal davon ab, dass sich jedermann phasenweise einsam fühlen kann, z. B. nach dem Verlust eines Partners oder Freundes, zitiert das Strategiepapier Umfrageergebnisse, nach denen sich zwischen 13 und ca. 40 Prozent der Menschen in Deutschland und der Europäischen Union einsam fühlen. Die Daten schwanken situationsabhängig – so hat z. B. die Covid-19-Pandemie die Anzahl der Betroffenen nach oben schnellen lassen.

Tatsächlich scheint das alles nicht so einfach zu sein. Das jedenfalls lässt sich aus der 31-seitigen Drucksache 20/10005 mit dem Titel „Strategie der Bundesregierung gegen Einsamkeit“ schließen (dserver.bundestag.de, Kurzlink https://bit.ly/3vJCekf). Wer hätte gedacht, dass sich die Bundesregierung um das Phänomen der Einsamkeit von Menschen sorgt – und dass dazu nun auch eine Strategie vonnöten ist? Offenbar ist dem so, denn, so heißt es in dem Papier: Einsamkeit ist eine gesamtgesellschaftliche und politische Herausforderung – und zwar unabhängig vom Lebensalter der Betroffenen. Bestimmte Bevölkerungsgruppen sind sogar besonders gefährdet, z. B. Alleinerziehende, Menschen mit Behinderungen oder aus dem LSBTIQ-Umfeld. Auch scheint es einen Zusammenhang zu geben zwischen Armut und dem Aufkommen von Einsamkeit.

Die Bundesregierung sieht nun Einsamkeit als „komplexe gesamtgesellschaftliche Herausforderung mit zahlreichen negativen Auswirkungen auf die Gesundheit von Menschen sowie das soziale Miteinander“. Sie verweist auf Erkenntnisse, nach denen Einsamkeit „einen negativen Einfluss auf die demokratische Teilhabe, wie die Beteiligung an Wahlen“ hat. Jugendliche zwischen 16 und 23 Jahren sollen sogar „eher Verschwörungserzählungen glauben, autoritären Haltungen zustimmen sowie politische Gewalt billigen“. Spätestens hier wird klar, dass Einsamkeit nicht als Privatvergnügen zu betrachten ist, sondern ein Sicherheitsproblem darstellt.

Schwerpunkte:

Ausgabe 3/2024
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