Liebe Leserinnen und Leser,
zwei schwarze Schwäne auf dem Titelbild des Sicherheitsberater – die meisten von Ihnen werden diese Symbolik respektive dieses „Bilderrätsels“ dechiffrieren können.
Kürzlich fiel mir wieder das Buch „Der Schwarze Schwan“ (engl. „Black-Swan-Event“) in die Hände. Darin hatte sich 2007 Nassim Nicholas Taleb auf über 400 Seiten der „Macht höchst unwahrscheinlicher Ereignisse“ (die massive Auswirkungen nach sich ziehen) gewidmet. Der schwarze Schwan steht bei Krisenmanagern, Katastrophenschützern und vielen Sicherheitsverantwortlichen spätestens seit diesem Buch als Sinnbild für extrem seltene und unvorhersehbare Bedrohungen.
Ich gehe davon aus, dass die allerwenigsten Leser die genaue Definition Talebs noch im Kopf haben. Ich bin nachfolgend also so frei, die Coronapandemie als Schwarzen Schwan zu betrachten – auf die Gefahr hin, dass mir Taleb vorwirft, sein Buch nicht genau gelesen zu haben. Er selbst hat nämlich kürzlich in einem Interview mit der Neue Zürcher Zeitung (auf www.nzz.ch zu finden) gesagt, eine Pandemie sei „ein Ereignis, das mit Gewissheit irgendwann eintreffen wird“ – und somit ein Weißer Schwan. Das stehe so in seinem Buch (dort findet sich übrigens auch eine Kapitelüberschrift „Wo ist der Graue Schwan?“). Unvorhersehbarkeit ist nach Taleb ein wichtiges Merkmal eines Schwarzen Schwans. Ich halte mich also an Prof. Christian Drosten, der sinngemäß sagte, dass man SARS-CoV-2 auf Basis molekularbiologischer Details bzw. seiner Unterschiedlichkeit zu anderen Viren so nicht erwartet habe (Kurzlink https://bit.ly/2JvVN7M). Ich gehe davon aus, dass ihm die LÜKEX-Übungen (Länderübergreifende Krisenmanagement Exercise), speziell die mit dem Übungsziel Grippe-Pandemie aus dem Jahre 2007, bekannt sind.
Ob Corona nun ein lupenreiner Schwarzer Schwan ist oder nicht, soll der akademischen Diskussion vorbehalten bleiben. Mir geht mehr darum, Sie, verehrte Leserinnen und Leser, zu animieren, in Ihren Sicherheitskonzepten und Krisenplänen zwei gleichzeitig auftretende Schwäne zu berücksichtigen bzw. noch einen weiteren Schwarzen Schwan außer Corona in Ihre Überlegungen einzubeziehen.
Übungsszenarios, die von zwei Schwarzen Schwänen oder Notlagen ausgehen gibt es durchaus, zum Beispiel die SVU14 (Sicherheitsverbundübung) im Jahr 2014 mit den beiden Szenarien „Pandemie und Strommangellage“. Den sehr lesenswerten Schlussbericht finden Sie auf www.newsd.admin.ch/gov der Schweizerischen Eidgenossenschaft (Kurzlink https://bit.ly/3mNdU7v). Es dürfte also nichts schaden, einmal über Kombinationen wie diese nachzudenken: Erdbeben plus Tsunami, Sonnensturm plus Krieg, Stromblackout plus Wassernotstand, Vulkanausbruch plus Hitzewelle, Meteoriteneinschlag plus Terroranschläge, X plus Y … Genug Apokalypse: Der Redaktionskollege Marc Thelen hat festgestellt, dass unsere Trinkwasserversorgung nicht durch die anhaltenden Trockenperioden der letzten Zeit gefährdet ist (s. S. 455). Wer hätte das gedacht? Aber Thelen hat das genau geprüft auf Basis der Daten vom Deutschen Wetterdienst.