Liebe Leserinnen und Leser,
§ 10 des Gesetzes über die Durchführung von Maßnahmen des Arbeitsschutzes zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Beschäftigten bei der Arbeit, kurz Arbeitsschutzgesetz oder ArbSchG, verpflichtet Arbeitgeber,
„Maßnahmen zu treffen, die zur Ersten Hilfe, Brandbekämpfung und Evakuierung der Beschäftigten erforderlich sind.“
In Heft 4 hatten wir die Hoffnung geäußert, dass sich unser langjähriger Redaktionskollege und Brandschutzexperte Bruno Hecht auch aus dem Ruhestand heraus weiterhin mit fachkundigen Hintergrundinfos zu Wort meldet. Das tat er jetzt mit einem wichtigen Hinweis auf § 10 ArbSchG sowie die Technische Regel für Arbeitsstätten ASR A2.3. So heißt es z. B. in der ASR unter Punkt 3.7:
„Im Rahmen einer Räumungsübung wird überprüft, ob eine kurzfristige Evakuierung (Räumung) der im Anwendungsbereich dieser Regel genannten Bereiche im Gefahrenfall schnell und sicher möglich ist.“
Zu den Zeiträumen, in denen solche Übungen stattzufinden haben, sagen die Gesetze und Vorschriften leider nichts Konkretes. Hecht, der jahrelang Evakuierungsübungen, an denen im Einzelfall bis zu mehr als 1.000 Personen beteiligt waren, konzipiert und überwacht hat:
„Alle zwei Jahre eine solche Übung durchzuführen ist ein akzeptabler und empfehlenswerter Zeitraum.“
Kürzere Zeiträume können bei Unternehmen gelten, die dem Bauordnungsrecht, Gefahrstoffrecht oder Immissionsschutzrecht unterliegen. Gleichzeitig weist er auf die komplexe Fragestellung hin, die sich nun als Folge der Coronapandemie ergibt: Wie führt man Räumungsübungen durch, wenn ein Großteil der Beschäftigten im Homeoffice sitzt? Und, falls das nicht der Fall ist, z. B. im produzierenden Gewerbe, würde eine Räumungsübung nicht zu einer Gefährdung der Mitarbeiter führen?
Die gesetzlichen, unter Vorcoronabedingungen formulierten Vorschriften sind eindeutig: Räumungsübungen sind durchzuführen. Gilt das auch für Pandemiezeiten? Mache ich mich als Arbeitgeber strafbar, wenn ich coronabedingt keine Räumungsübung durchführe (Nichterfüllung der Gesetzesvorgabe) oder wenn ich sie durchführe und die Beschäftigten einer Kontaminationsgefahr aussetze? Oder muss ich als Arbeitgeber dafür sorgen, dass nur „negative Personen“ (mit Coronatestergebnis) die Arbeitsstätte betreten?
Derzeit kann niemand diese Fragen verbindlich beantworten. Unsere Empfehlung daher: Legen Sie sich das Thema Evakuierung auf die Nach-Corona-Wiedervorlage. Dann haben Sie gute Chancen, den oben genannten Zwei-Jahres-Zeitraum nicht zu überschreiten. Sobald es verbindlichere Antworten gibt, werden wir diese hier im Sicherheits-Berater kundtun.
Während unser Redaktionskollege im Ruhestand seine Erkenntnisse aufgrund jahrzehntelanger Erfahrung gewonnen hat, kam einer unserer jüngsten Redaktionskollegen, Sebastian Stürmann, durch nüchterne Kalkulation ebenfalls zu erstaunlichen Ergebnissen: Im Beitrag rechts rechnet er vor, dass E-Fahrzeuge einen signifikant kürzeren Anfahrweg als Verbrenner benötigen, um mit der gleichen (terrorisierenden) kinetischen Energie auf Absperrtechnik (z. B. Poller oder Wedges) zu treffen.