Liebe Leserinnen und Leser,
das Foto links stammt aus dem Jahre 2003 bzw. aus dem Kurhaus Wiesbaden. Wie unschwer zu erkennen ist, geht es zweifelsfrei um Digitalisierung. Die Einsen und Nullen rasen nur so durchs Werbeplakat. Ich (damals noch schlaksiger PR-Redakteur) erlaubte mir vor Veranstaltungsbeginn einen Scherz, indem ich mich selbst als Analog-Roy-Black zwischen den beiden Enden eines Glasfaserkabels digitalisierte.
„Intelligenter IT-Einsatz – schneller Return on Invest“ lautete bereits damals unsere Aussage. Heute wird nicht anders argumentiert, wenn es darum geht, von Unternehmen ein schnelleres Tempo bei der Digitalisierung abzufordern und deren Verheißungen auszuloben (allen voran seit der Erfindung des Webstuhls: die Rationalisierung). Gefühlt alle fünf Minuten fordert ein Wirtschaftsboss, ein Politiker oder eine Studie mehr Engagement von deutschen Unternehmern. Dem digitalen Wirtschaftsstandort Deutschland wird nämlich nur eine Note 3,3 attestiert (Studie von etventure und GfK). Es müssten dringend digitale Geschäftsmodelle her, heißt es. Roland Berger und der BDI wussten schon 2015, dass die Industrie digital mehr als 1,25 Billionen Euro zusätzlich wertschöpfen könnte (Kurzlink https://bit.ly/2DxsME9 ). Gerade jetzt poppt eine der vielen „Digitalisierung-muss-sein-Mails“ ins Redaktionspostfach: Demnach sollen laut einer Studie solchen Firmen, deren Digitalisierungsniveau noch unterentwickelt ist, M&A-Transaktionen weiterhelfen. M&A heißt Mergers & Acquisitions, also Unternehmensfusionen oder Unternehmens(zu)käufe, um Digital-Know-how zu erwerben. Zwei weitere Aspekte der digitalen Transformation ab Seite 208.
Die digitale Transformation hat eine atemberaubende Fahrt angenommen – mit bahnbrechenden Auswirkungen nicht zuletzt auf die Sicherheit. In den Worten eines Sicherheitsforschers: „Eine Auswirkung der Digitalisierung besteht in der enormen Beschleunigung und Verdichtung sämtlicher Prozesse ( … ). Gestützt auf eine große Menge verfügbare Daten, finden viele Prozesse, die früher Stunden oder Tage gedauert haben, nunmehr in Echtzeit statt. Damit verschwimmen die Grenzen von Planung und Handlung (…) “ (Quelle: Digitale Transformation und öffentliche Sicherheit – Johannes Weyer, FU Berlin, Kurzlink https://bit.ly/2vYS74u ).
Ob Echtzeitplanungen im Sicherheitsbereich immer zielführend sind, darf bezweifelt werden. Mir scheint, manchmal ist es nicht so verkehrt, über ein Sicherheitsrisiko einmal in aller Ruhe nachzudenken – auch künftig z. B. über das Verfassen von Sicherheitsnachrichten. Wetter-, Produkt-, Börsen- und Sportnachrichten werden bereits massenweise automatisch, ohne Redakteur, generiert (vgl. z. B. www.textomatic.ag).
Die Fragen der Sicherheit beim Durchdigitalisieren sämtlicher Lebensbereiche – z. B. Datenschutz? Cybercrime? Energieverbrauch? Menschenbild? – bleiben vorläufig noch einigermaßen ungeklärt. Ob sich gegen die Kinderkrankheiten der digitalen Technologien noch passende Algorithmen finden lassen, wird sich zeigen. Spätestens im Post-Digital Zeitalter werden wir’s wissen.