Liebe Leserinnen und Leser,
Deutschland hat erstmals eine offizielle „Nationale Sicherheitsstrategie“. Wenngleich die Meinungen dazu geteilt sind und es zudem keinen Nationalen Sicherheitsrat gibt, stellt sie dennoch eine wichtige Zäsur dar.
Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz bezeichnete die im Juni mit selten großem Bahnhof vorgestellte „Nationale Sicherheitsstrategie“ sogleich als „inhaltlich blutleer, strategisch irrelevant und außenpolitisch unabgestimmt.“ Sie wurde von Kanzler Scholz bzw. Außenministerin Baerbock in Begleitung von Finanzminister, Verteidigungsminister und Innenministerin am 14. Juni 2023 in der Bundespressekonferenz ausgelobt. Letztere ist übrigens keine Veranstaltung der Bundesregierung, sondern eine von knapp 1.000 Journalisten initiierte Pressekonferenz.
Bei der Nationalen Sicherheitsstrategie handelt es sich um ein 76-seitiges Strategiepapier mit dem Titel „Wehrhaft. Resilient. Nachhaltig. Integrierte Sicherheit für Deutschland“ (www.bmvg.de). Dass es über lange Jahre ergebnislos diskutiert wurde, lässt sich auf unüberwindbare parteipolitische Gegensätze und solche zwischen Auswärtigem Amt und Bundesregierung zurückführen. Der russische Krieg gegen die Ukraine hat die Formulierung der Strategie nun drastisch beschleunigt.
Kritiker bemängeln, dass der Sicherheitsstrategie ein entsprechender Unterbau fehlt, es eben keine strukturelle Reform der Entscheidungsprozesse gebe. Sie fordern daher etwas wie einen Nationalen Sicherheitsrat (nicht zu verwechseln mit dem Bundessicherheitsrat für Fragen zur Rüstungspolitik.)
Nichtsdestotrotz zeigt die nun vorgestellte Nationale Sicherheitsstrategie, dass das Thema Sicherheit bei den politischen Entscheidungsträgern so umfassend wie noch nie wahrgenommen wird und dass alle Sicherheitsakteure inkl. der Bürger in Entscheidungsprozesse integriert werden sollen. Baerbock wählte gar Beispiele aus dem Alltagsleben, z. B.: „Sicherheit im 21. Jahrhundert bedeutet, in der Apotheke zuverlässig lebenswichtige Medikamente zu bekommen ( … ).“ Johannes Rundfeldt von der AG Kritis zeigte sich enttäuscht, weil das Papier hinter den Erwartungen und Ankündigungen deutlich zurückbleibe. Der außenpolitische Sprecher der SPD Bundestagsfraktion, Nils Schmid, verweist dagegen auf die geschichtliche Einzigartigkeit, eine nationale Sicherheitsstrategie ressortübergreifend mit Gültigkeit für die gesamte Bundesregierung erarbeitet zu haben.
Als Quellenfan empfehle ich Ihnen das Papier zur Lektüre. Allein diese darin genannten Stichworte wecken bereits unser Interesse: Außen- und Sicherheitspolitik, Cybersicherheit, europäische Sicherheitsordnung, internationale Schutzverantwortung, kritische Infrastrukturen, Landes- und Bündnisverteidigung, Katastrophenschutz, Klimakrise, Krisenprävention, Resilienz, Sicherheits- und Verteidigungsindustrie, Rohstoff- und Energiesicherheit, Spionage- und Sabotageabwehr, Weltraumsicherheit.